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Wie Dolmetschen in Nürnberg neu erfunden wurde

Wie Dolmetschen in Nürnberg neu erfunden wurde

Nach dem Sieg über Nazi-Deutschland schrieben die Alliierten mit den Nürnberger Prozessen nicht nur Rechtsgeschichte. Das internationale Tribunal markiert auch die Geburtsstunde einer neuen Übersetzungstechnik, nämlich des Simultandolmetschens.

Eine Revolution für das Strafrecht – und das Dolmetschen

Die Entscheidung der Siegermächte, die hauptverantwortlichen Kriegsverbrecher Nazi-Deutschlands vor ein internationales Strafgericht zu stellen, stellt einen Meilenstein in der Geschichte der Rechtsprechung dar. Das heute bestehende System des internationalen Strafrechts mit seinem Aushängeschild, dem Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag, wäre ohne den großen Nürnberger Prozess und seine Nachfolgeprozesse undenkbar. Doch noch für ein weiteres Gebiet bedeutete „Nürnberg“ eine weitreichende Zäsur: das Dolmetschen. Denn zum ersten Mal wurde hier die erprobte Form des Konsekutivdolmetschens durch ein völlig neues Verfahren abgelöst: das Simultandolmetschen. Hierbei spricht der Dolmetscher nicht nach dem Redner, sondern gleichzeitig mit ihm. Das bedeutet eine nicht zu unterschätzende Zeitersparnis, stellt aber auch höchste kognitive Anforderungen an den Sprachmittler.

Nürnberg – Geburtsort des Simultandolmetschens

Es waren pragmatische Erwägungen, die letztlich zu der Entscheidung führten, den großen Kriegsverbrecherprozess in Nürnberg zu führen. Zum einen lag die Stadt in der amerikanischen Besatzungszone. Die meisten der späteren Angeklagten befanden sich in amerikanischer Gefangenschaft; zudem war es das US-Kriegsministerium, das mit der Planung des Verfahrens betraut war. Hinzu kam, dass die Stadt ein intaktes Gerichtsgebäude mit angrenzendem Gefängnis besaß, den Justizpalast. Heute ist am historischen Verhandlungsort die Dauerausstellung „Memorium Nürnberger Prozesse“ zu sehen. Auch dort wird über den Prozess als Geburtsstunde des Simultandolmetschens informiert.

Der Prozess und die Rolle der Simultandolmetscher

Da die deutschen Angeklagten sich vor einem gemeinsamen Tribunal der vier Siegermächte verantworten mussten, wurde der Prozess de facto viersprachig geführt: auf Deutsch, Englisch, Französisch und Russisch. Dem Einsatz der Dolmetscher ist es zu verdanken, dass das Verfahren überhaupt so durchgeführt werden konnte. Dabei mussten die Dolmetscher absolut präzise arbeiten – schließlich gibt es kaum einen Ort, wo es so sehr auf den Wortlaut des Gesagten ankommt wie bei Gericht. Auch war man sich der Gefahr bewusst, dass sich die deutschen Angeklagten jede fehlerhafte Verdolmetschung ihrer Aussagen zunutze machen könnten.

Hätte man während des Verfahrens auf konsekutives, also zeitversetztes Dolmetschen zurückgegriffen, so hätte sich der Prozess über mehrere Jahre hingezogen. Um dies zu verhindern, wurde die neue Technik des Simultandolmetschens eingesetzt, das nahezu in Echtzeit erfolgt. Hierfür entwickelte die Firma IBM eigens ein neuartiges Kabinensystem mit entsprechen schaltbaren Mikrofonen und Kopfhörern. Somit begann in Nürnberg eine neue Ära der Sprachmittlung.

Wie Simultandolmetschen funktioniert

Das in Nürnberg erprobte Simultandolmetschen ist eine kognitiv höchst anspruchsvolle Aufgabe. Der Dolmetscher hört zu, muss das Gesagte verstehen und mit minimaler Verzögerung korrekt übersetzen. Er hat keine Möglichkeit, nachzufragen und darf sich keinerlei Ablenkung erlauben. Und selbstverständlich muss er selbst jederzeit klar und verständlich sprechen. Diese Tätigkeit des Echtzeit-Übersetzens ist so fordernd, dass Simultandolmetscher stets im Team arbeiten und sich nach höchstens 30 Minuten abwechseln.

Beim für die Nürnberger Prozesse entwickelten Kabinendolmetschen sitzt ein Dolmetscherteam in einer schallisolierten Kabine. Der Dolmetscher hört den Sprecher über Kopfhörer und spricht selbst in ein Mikrofon, dessen Signal wiederum auf die Kopfhörer der Zuhörer geleitet wird.

Eine Sonderform bildet das „Relais-Dolmetschen“: Bei einer „exotischen“ Ausgangssprache wird in eine Konferenzsprache (z. B. Englisch) gedolmetscht, aus der die übrigen Dolmetscher dann in ihre jeweilige Sprache übersetzen.

Bei mehrsprachigen Veranstaltungen mit wenigen Teilnehmern kommt häufig das sogenannte „Flüsterdolmetschen“ zum Einsatz. Hierbei befindet sich der Dolmetscher schräg hinter dem Hörer und kann ihm sozusagen ins Ohr sprechen. Diese Art des Dolmetschens hat den Vorteil, dass sie ohne technische Hilfsmittel auskommt.

Von Nürnberg in die ganze Welt – Simultandolmetschen heute

Heute hat sich Simultandolmetschen weltweit etabliert. Auf vielen mehrsprachigen Veranstaltungen ist das Echtzeit-Übersetzen die bevorzugte, oftmals auch die einzig praktikable Lösung des Verdolmetschens.

Und in Nürnberg? Hier erinnert das „Memorium Nürnberger Prozesse“ an jenes wegweisende Ereignis, das vor 75 Jahren im Justizpalast stattgefunden hat.

Das Dolmetscherteam von AP Fachübersetzungen jedenfalls macht der Heimatstadt des Simultandolmetschens alle Ehre. Unsere hochqualifizierten Dolmetscher und Übersetzer stehen Ihnen zur Seite, sei es bei Konferenzen, Messen, großen und kleinen Veranstaltungen oder bei Gericht – hier in Nürnberg, wo alles begann.